11.08.2020
Ulrike Mayerhofer

Getreide-Pressekonferenz: „Agrarhandel im Strukturwandel gefordert“

Die Vorstände der ZG Raiffeisen, Dr. Holger Löbbert und Lukas Roßhart, sowie Vermarktungschef Hermann Frey (von rechts).

Die Erntebilanz der ZG Raiffeisen fällt in diesem Jahr aller Voraussicht nach durchwachsen aus. Während die Erträge bei Getreide über die Kulturen hinweg zwischen zehn und 15 Prozent unter dem Vorjahr liegen, rechnet die badische Zentralgenossenschaft aus heutiger Sicht für die ausstehende Maisernte mit einer leichten Ertragssteigerung gegenüber den beiden Vorjahren. Entgegen dem Trend in vielen anderen Branchen darf die Unternehmensgruppe im Corona-Jahr von einem guten Gesamtergebnis für alle Sparten ausgehen, wie die Vorstände im Rahmen der Getreide-Pressekonferenz auf dem Hofgut Maxau in Karlsruhe bekannt gaben.

Der Ort war nicht zufällig gewählt: Auf dem in unmittelbarer Nähe des Rheins gelegenen Betrieb testet die ZG Raiffeisen seit einigen Jahren digitale Technologien für die Agrar-Produktion. Die Beratung von Landwirten im Einsatz sogenannter Smart-Farming-Anwendungen bildet laut Vorstand Dr. Holger Löbbert einen wesentlichen Baustein in der strategischen Weiterentwicklung des Unternehmens – nicht zuletzt vor dem Hintergrund jüngst erfolgter politischer Weichenstellungen.

„Mit der Verabschiedung des Biodiversitätsstärkungsgesetzes vom 22. Juli sind die Ziele für die Ökologisierung der Landwirtschaft gesteckt“, so Löbbert. „Der Weg dahin stellt für viele Betriebe eine große Herausforderung dar, die wir als Genossenschaft mittragen.“ Die Reduzierung von Betriebsmitteln oder Umstellung auf Bio-Anbau: Beides werde auf das Geschäft der ZG Raiffeisen voll durchschlagen. Gleichzeitig sehe sich die Genossenschaft noch mehr als bislang in der Verantwortung, ihren Beitrag zu einem positiven Image der Landwirtschaft zu leisten.

Landwirte mit Genossenschaft gut beraten

Mit Blick auf die Ernte zeige sich, dass die Landwirte mit ihrer Genossenschaft weiter gut beraten seien. „Wer den Empfehlungen unseres Produktionsmanagements gefolgt ist, verzeichnet erneut ein höheres Ertragsniveau und bessere Qualitäten“, formulierte es Vermarktungschef Hermann Frey. Angesichts der volatilen Preissituation profitierten die Landwirte zudem von der Expertise der Kontraktmanagement-Berater in der Karlsruher Zentrale.

Der Kostendruck auf Getreideerfassung, Lagerung und Vermarktung ist weiter angestiegen. Neben dem Dauerproblem Niedrigwasser steigen die Herausforderungen der zunehmenden Konzentration auf der Abnehmerseite. Eine strategische Antwort darauf ist das gemeinsame Vermarktungsunternehmen ECU mit der französischen CAC, das sich im ersten Jahr nach der Gründung am Markt bereits etabliert hat.

Nach den zuletzt heißen und trockenen Jahren mit teils extremen Ernteeinbrüchen verläuft die Saison im badischen Anbaugebiet der ZG Raiffeisen nicht optimal, aber unter dem Strich noch ordentlich, allerdings mit regionalen Einschränkungen. Für das Getreide kamen die Juni-Niederschläge nach einem sehr warmen und trockenen Frühjahr und Spätfrost im Mai zu spät. Wo es ergiebig regnete und die Böden aufnahmefähig waren, fielen die Erträge laut Frey dennoch insgesamt zum Teil überraschend gut aus. Andernorts, insbesondere in Nordbaden, wurden einzelne Gerstenbestände aufgrund von Frostschäden siliert oder gemulcht.

 

Wer Mais angebaut hat, darf nach einem Wechselbad der Gefühle in vielen Regionen in diesem Jahr aktuell noch auf zufriedenstellende Erträge hoffen. „Nach schlechten Aussaatbedingungen durch die Trockenheit und Schäden, die aus dem Wegfall der Mesurol-Beizung resultieren, verlief die Vegetation für Mais bis Mitte Juli optimal“, so der Vermarktungschef. „Danach relativierten erneute Trockenheit und sehr hohe Temperaturen die Situation leider bis zum heutigen Tag.“

„Zukunftsfähige Landwirtschaft braucht höhere Lebensmittelpreise“

Strategisch richtet sich die ZG Raiffeisen so aus, dass sie die Landwirte in dem von Politik und Gesellschaft gewollten Wandel der Agrar-Produktion als starker Partner unterstützen kann, sei es durch die Förderung von wirtschaftlich rentablen Nischenkulturen wie Dinkel, sei es durch den schrittweisen Ausbau in der Anbauberatung und Erfassung von Bio-Getreide. Zur kommenden Ernte hin will die Genossenschaft in eine weitere Entspelzungsanlage für Dinkel investieren. Mit einer gerade gelaunchten Agrar-App beschreitet sie auch in der Kommunikation und Interaktion mit ihren Landwirten einen neuen Weg.

Löbbert und Vorstandskollege Lukas Roßhart pochen jedoch auf eine ganzheitliche Betrachtung des Themas: „Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft sind höhere Lebensmittelpreise unabdingbar“, so die Vorstände. „Letztendlich entscheidet der Verbraucher, aber in gewisser Weise schafft sich auch das Angebot seine Nachfrage. Neben der Politik sind daher auch die Verbände, der Lebensmitteleinzelhandel und wir als Agrarhandel gefordert.“ Aufgabe sei es, über regionale Lieferketten und Vermarktungsmöglichkeiten die Wertschöpfung in der Landwirtschaft zu erhöhen. Über die eigenen ZG Raiffeisen Märkte mit ihrer klaren regionalen Positionierung will die Unternehmensgruppe den Kontakt zum Endverbraucher für eine zielführende Diskussion künftig erhöhen.

Grundsätzlichen Rückenwind erfährt die ZG Raiffeisen-Gruppe durch ein bislang sehr erfolgreich verlaufenes Geschäftsjahr mit teilweise erheblichen Umsatz- und Rohertragszuwächsen. „Dank eines frühzeitig eingesetzten und sehr wirksamen Corona-Krisenmanagements konnten wir die aus der Systemrelevanz resultierenden Vorteile mit durchgängig geöffneten Niederlassungen voll ausschöpfen“, so Vorstand Lukas Roßhart. Insbesondere die Haus- und Gartenmärkte und der Baustoffhandel verzeichneten einen deutlichen Kunden- und Absatzzuwachs. Weiterhin sehr erfolgreich verläuft auch das expandierende Energiegeschäft mit Heizöl, Diesel und Tankstellen.

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