„In Nordbaden hatten wir in diesem Jahr einige Probleme mit Mutterkorn bei Roggen und sehr vereinzelt auch bei Weizen“, sagt Franz Utz, Geschäftsbereichsleiter Vermarktung bei der ZG Raiffeisen in Karlsruhe. „Aber das Phänomen an sich ist ja nicht neu.“ Der Pilz und seine gefährliche Wirkung sind seit Jahrhunderten bekannt, im Mittelalter wurde Mutterkorn etwa für Abtreibungen verwendet. Mit der Kultivierung der modernen Getreidesorten habe sich die Ausgangslage enorm verbessert, aber gegen den Pilz selbst sei auch heute noch kein Kraut gewachsen, meint Utz.
„Etwa alle fünf bis zehn Jahre tauchen immer wieder einmal Probleme mit Mutterkorn auf. Die Ursache ist eigentlich eine bestimmte Witterungskonstellation, die an sich nicht problematisch ist, es sei denn, sie fäll ungünstigerweise genau in die Zeit der Blüte der betroffenen Kultur. Aber die Landwirtschaft ist nun einmal von Mutter Natur abhängig, auf das Wetter haben wir Menschen ja glücklicherweise noch keinen Einfluss. Unser Anspruch ist, dass so wenig wie möglich in die Lebensmittelkette gelangen kann.“ Denn nur weil es keinen eigenen Wirkstoff gegen den Pilz gebe, bedeute das noch lange nicht, dass die Landwirte nichts tun könnten, meint Utz. Der beste Schutz seien die richtige Sortenwahl, geschulte Mitarbeiter und ein vorausschauendes Qualitätsmanagement.
Aufs Korn genommen
Mutterkorn (Claviceps purpurea) ist ein Schlauchpilz, der Getreide und Süßgräser befällt und die Frucht mit einem Geflecht aus purpurfarbenen bis schwarzen Wucherungen überzieht. Besonders anfällig sind Roggen und Tricitale, seltener Weizen und Gerste. Die daraus entstehende Mutation, erkennbar als deutlich größere, dunkle Körner (sogenannte Sclerotien), sind für Mensch und Tier giftig und nur in minimalen Dosen verträglich. Als unbedenklich gilt Ware, die entsprechend der gesetzlichen Höchstwerte einen Mutterkorngehalt von weniger als 0,05 Prozent bei Lebensmitteln und nicht mehr als 0,1 Prozent bei Futtermitteln aufweist. Das entspricht nicht mehr als 10 bis 20 Körnern pro Kilogramm bei Kulturen, von denen 1.000 Körner gerade einmal 50 Gramm auf die Waage bringen. Die medizinischen Auswirkungen von und mögliche Gegenmaßnahmen gegen Mutterkornalkaloide werden aber ständig weiter erforscht.
Die richtige Vorsorge
Eine effektive Risikovorsorge beginnt für Franz Utz bereits vor Aussaat und Anbau, nämlich mit der Wahl der richtigen Getreidesorte – je weniger anfällig die Sorte, desto geringer sei auch das Risiko. Die ZG Raiffeisen orientiert sich bei ihren Anbauempfehlungen und <link internal-link internal link in current>Annahmebedingungen an den Erkenntnissen des Bundessortenamtes (BSA), den Produktspezifikationen der verarbeitenden Betriebe sowie an den Einheitsbedingungen des deutschen Getreidehandels. Angenommen werde aber selbstverständlich Ware aller Sorten, sofern sie gesund sei oder nach fachlichem Ermessen so gereinigt werden könne, dass die gesetzlichen Höchstwerte nicht überschritten würden.
„Solange das Gesetz nichts anderes vorsieht, vermarkten wir die Ware auch“, bekräftigt Utz. „Wichtig ist nur, dass befallene Ware separat gelagert wird. Dann kann ich sie notfalls auch 2-3 Jahre liegenlassen, denn die Toxizität nimmt mit der Zeit ab. Oder man sortiert die Fremdkörper halt gleich heraus. Meistens hilft es schon, die Ware bei uns reinigen zu lassen.“
Für die Aussaat empfehlen die Produktionsberater der Genossenschaft grundsätzlich den Einsatz von gebeiztem Z-Saatgut, weil die Beize den Pilz abtötet. Zusätzlich raten sie standardmäßig zum Einsatz von fusarienwirksamen Fungiziden während der Blütephase. Diese wirken zwar nicht unmittelbar gegen Mutterkorn selbst, doch gilt eine unterstützende Nebenwirkung gegen den Pilz als erwiesen.
Schwarz sehen und erkennen mit Methode
Die zweite Säule bei der Qualitätssicherung sind geschulte Mitarbeiter, die wissen, was sie im Fall des Falles zu tun haben. Das Silopersonal der ZG Raiffeisen wird mehrmals im Jahr im Umgang mit Risikobefall aller Art geschult. Sollte eine Partie doch einmal befallen sein, so wird dies bei der obligatorischen Beprobung vor der Erfassung festgestellt und auf dem Annahmeschein vermerkt.
Befallene Partien werden dann zunächst mit Aspirateur oder Sieb gereinigt. In der Regel lassen sich auf diesem Wege rund die Hälfte der befallenen Körner aussortieren. Vorsicht geboten ist bei Umlagerungen, denn die mutierten Körner können bei mechanischer Belastung leicht brechen und sind dann nicht mehr unbegrenzt über die Größe erfassbar. Dies kann die spätere Sortierung erschweren. Dafür gibt es dann noch die Reinigung über Tisch- oder Farbauslese, die viele Mühlen und andere verarbeitende Betriebe heute anbieten. Bei der Farbauslese werden Fremdkörper in der Partie nicht nur anhand des Gewichts, sondern auch anhand ihrer Farbe von den Sensoren der Anlage erkannt und per Druckluft aus dem Warenstrom entfernt.
Was, wenn sich Partien nicht mehr wirksam reinigen lassen?
Die Probleme in Nordbaden seien inzwischen beseitigt, berichtet Franz Utz. Partien, die auch nach aufwendiger Reinigung die Höchstwerte weiter überschritten, könne man immer noch anderen Verwendungen zuführen, auch für eine Entsorgung gebe es sinnvolle Lösungen. „Ich denke, wir haben da bisher immer einen guten Weg finden können“, meint Utz.