Nach der Hitzewelle und den Rekordtemperaturen im Sommer 2015 fragen sich nicht nur besorgte Landwirte, auf welche klimatischen Perspektiven sie sich künftig einstellen müssen. Entsprechend großes Interesse fand der Vortrag von Dr. Holger Flaig vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg in Karlsruhe über die Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft. Seine Ergebnisse sind alles andere als beruhigend, denn viele metereologische Parameter verändern sich merklich.
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Die Temparaturen steigen weltweit an und mit ihnen die Treibhausgase (vor allem die CO2-Konzentration), die Unberechenbarkeit und extreme Wetterereignisse wie Hagel, Starkregen, Hitze und Trockenheit nehmen zu. Der Niederschlag steigt zwar insgesamt übers Jahr gesehen an, doch verlagert er sich ausgerechnet in die kalte Jahreszeit, weg von den Sommermonaten, wenn er am dringensten gebraucht wird.
Die ungünstigsten Klimaprognosen bewahrheiten sich bereits
Während die internationale Politik in Paris über ein neues Klimaabkommen verhandelt, zeigte Flaig, dass sich die aktuelle Entwicklung mit bis zu 5 Grad Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts bereits jetzt am oberen Rand der ungünstigsten Prognosen bewegt. Als Referenzbeispiel kam er immer wieder auf den Rekordsommer von 2003 zurück, der mit über 70.000 Todesfällen als schlimmste Naturkatastrophe der letzten 100 Jahre eingestuft worden ist.
2003 sei ein "ein Fenster in die Zukunft, denn dies wird im Jahr 2080 ein durchaus normaler Sommer sein, wenn unsere Berechnungen zutreffen“, sagte Flaig. Diese Aussicht wäre in der Tat dramatisch: 5 bis 6 Grad höhere Temperaturen im Mittel, 40 bis 50 heiße Tage im Jahr mit Werten über 30 Grad am oberen Rheingraben, 10 bis 20 Prozent weniger Niederschlag. Letzteres sei auch 2003 der kritische Punkt gewesen: Damals habe es in ganz Deutschland dramatisch an Wasser gefehlt.
Hitze allein nützt wenig
„Man sollte eigentlich meinen, dass sich eine subtropische Pflanze wie der Mais hier besonders wohlfühlen würde“, sagte Dr. Flaig. „Doch der Mais benötigt das Wasser, um sein Ertragspotenzial zu entfalten. Wenn er das nicht bekommt, nützt die ganze Hitze wenig.“
2015 habe man daher wieder wieder gesehen, dass der Hitzevorteil auch Grenzen haben kann. Die Erträge stiegen zwar mit der Erderwärmung an, doch zugleich leide die Qualität mit sinkenden Stickstoff- und Proteinanteilen. Kritisch werde es immer dann, wenn hohe Temperaturen und Trockenheit mit den empfindlichen Phasen des Pflanzenwachstums zusammenfielen, also vor allem in der Blüte.
Konkurrenzverschiebung hin zu wärmeliebenden Kulturen
Insgesamt prophezeite Flaig für die zweite Hälfte des Jahrhunderts eine Konkurrenzverschiebung hin zu eher wärmeliebende Kulturen wie Mais, Soja und Hirse zu rechnen. Getreide und Raps hätten dann eher das Nachsehen.
Dennoch berge der Klimawandel nicht nur Risiken, sondern auch Chancen, etwa für den Anbau neuer, südländischer Gemüsesorten. Mit geeigneter Bewässerung, Düngung und Pflanzenschutz könnten die Anpassungsreaktionen der Kuturen auf die klimatischen Bedingungen schrittweise verbessert werden. Die Herausforderung bestehe vor allem darin, dafür die richtigen Diagnose- und Monitoring-Instrumente zu finden. Hierfür gelte es intelligente Lösungen zu finden.
Vermarktungsaussichten der diesjährigen Ernte
Entsprechend nüchtern fielen die Prognosen zu den Vermarktungsaussichten für die Ernte 2015 aus. Vor allem für den Mais war es ein schwieriges Jahr im Südwesten, wo die Ernte mancherorts regelrecht auf dem Feld vertrocknet ist, während in anderen Anbauregionen gute Erträge eingefahren wurden. Weltweit sind die wichtigsten Agrarprodukte Mais, Soja und Weizen jedenfalls reichlich vorhanden, die Preise bleiben damit weiter unter Druck.
Zur Sicherung des Betriebserfolges im kommenden Jahr empfiehlt die ZG Raiffeisen daher allen Erzeugern, bereits jetzt über eine Absicherung von bis zu 50 Prozent einer normalen Ernte nachzudenken.