Gießkanne war gestern: Landwirtschaft 4.0 im Ackerbau

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Einfach mal neben der Spur bleiben kann sich heute kein Landwirt mehr leisten. Precision Farming und Smart Farming lenken und vernetzen die Landmaschinen von heute, um für den Landwirt den Kopf frei zu machen für die wirklich wichtigen Fragen.

Wie die Zangen eines riesigen Insekts schweben die beiden Sensorarme des Isaria-Systems vorn am Traktor über dem Boden. Hochleistungs-LED-Sensoren in beiden Armen messen den aktuellen Stickstoffbedarf der Pflanzen im Boden und dosieren daraufhin digital exakt, wieviel Nährstoffe der Düngerstreuer hinten am Fahrzeug welcher Pflanze heute zukommen lässt. Der unter anderem von der Technischen Universität München (TUM) mitentwickelte Isaria misst die Farbgebung der Pflanzen, was gegenüber anderen Verfahren den Vorteil hat, dass es ohne Tageslicht auskommt und der Landwirt notfalls auch nachts arbeiten kann. Auch die aktuelle Höhe des Pflanzenwuchses ist für das System unerheblich.

<link internal-link internal link in current>Unseren vollständigen Bericht über den Pflanzensensor lesen Sie auf unseren Agrartechnik-Seiten


Im einfachen Online-Modus kann man mit dem Isaria tatsächlich praktisch auf Knopfdruck losfahren, dann arbeitet das System nur nach dem Sensor. Richtig interessant wird es dann im Mapping-Modus, der auch bereits vorhandene Daten des Landwirts wie Anwendungskarten, Schlagkartei oder die Ergebnisse der letzten Bodenanalyse verarbeiten kann. Diese Daten gleicht das System mit den aktuellen Messergebnissen ab und errechnet daraus eine Empfehlung für den Landwirt. Alle vorhandenen Daten können damit genutzt werden.

Währenddessen zieht der Traktor unbeirrt zentimetergenau seine Bahnen über das Feld. Dabei hilft ihm ein automatisches Lenksystem, in diesem Fall Varioguide vom Hersteller Fendt. Solche Precision-Farming-Systeme können je nach Anspruch den Fahrer auf jeder gewünschte Route zentimetergenau anleiten oder diese sogar automatisch selbst abfahren.

Das Konzert der Daten

„Die Kunden sagen, sie sind mit dem Lenksystem viel entspannter unterwegs und können sich besser auf die eigentliche Arbeit konzentrieren statt auf das Fahren“, sagt Jochen Schneider, der bei der ZG Raiffeisen für den Bereich Landwirtschaft 4.0 verantwortlich ist. Das System unterstützt den Landwirt, aber das Fachwissen und eine sinnvolle Anbaustrategie kann es nicht ersetzen, meint Schneider. „Aber es kann eine Empfehlung errechnen, mit der er auf der Grundlage dieser vielen Daten, die wir heute noch gar nicht überblicken, eine sinnvolle Betriebsentscheidung treffen kann.“

Denn der Oberbegriff Landwirtschaft 4.0 steht für eine – voraussichtlich nicht mehr allzuferne – Zukunft, in der sich einmal die vielen verschiedenen komplexen Anwendungen aus Agrartechnik, Pflanzenbau und Betriebsführung, die heute bereits in der Landwirtschaft entwickelt werden, zu einem digital sinnvoll vernetzten Konzert verbinden können. Ziel ist vor allem, die vielen Daten möglichst gewinnbringend zu verwerten, die heute bereits zur Verfügung stehen.

Gießkanne war gestern

Die Bedienung solcher Systeme ist inzwischen wesentlich vereinfacht worden. Dennoch stehen die meisten Hersteller noch ziemlich am Anfang, dementsprechend sind auch bisher nicht viele Exemplare in Baden unterwegs. Aber die Rückmeldungen sind überwiegend positiv, und die Zahl der Interessenten wächst. Auch eine Miet-Lösung ist bei der ZG Raiffeisen Technik inzwischen in Vorbereitung.

Der Effekt der neuen Technologie ist schwer zu beziffern. Nach Berechnungen der TU München liegt das Einsparpotenzial bei bis zu 60 Euro weniger Betriebskosten pro Hektar. „Es ist nicht unbedingt gesagt, dass ich damit weniger Dünger verbrauche“, sagt Schneider. „Aber der Dünger, den ich einsetze, wird gezielt ausgebracht und landet somit hoffentlich dort, wo er am meisten bringt.“

Das Ziel ist, Verbrauch, Kosten und Umweltbelastung soweit wie möglich zu senken und trotzdem nicht auf den Ertrag zu verzichten. Weil sie umweltschonender arbeiten, sind solche Systeme auch förderfähig nach dem FAKT-Förderprogramm. „Es ist auf jeden Fall besser als das alte Gießkannen-Prinzip“, meint Schneider.

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